Koalitionsbruch: Neuwahlen verantwortungsvoll vorbereiten
Nach dem Aus der Ampelkoalition erleben wir eine besondere parlamentarische Situation ohne historische Blaupause. Wie wir damit umgehen müssen, ist jedoch im Grundgesetz klar geregelt. Ich unterstütze daher den klar skizzierten, geordneten und vor allem verantwortungsvollen Weg zu Neuwahlen, den Bundeskanzler Olaf Scholz vorgegeben hat.
Auch unser Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier appelliert angesichts der unsicheren politischen Lage in Deutschland und der Welt zu „Vernunft und Verantwortung“ aller demokratischen Kräfte. So kurz nach dem Koalitionsbruch und der Entlassung des FDP-Finanzministers ist die Aufregung groß. Es stehen dringende Entscheidungen für unser Land an. Das sollte nach einer kurzen Zeit der Aufregung allen verantwortungsvollen Parlamentariern klar sein. Im Hinblick auf den Termin für die Vertrauensfrage und die Neuwahlen gilt es im Dialog mit der Bundeswahlleiterin und unseren Kommunen die ordentliche Organisation der Bundestagswahlen 2025 zu gewährleisten.
Vorläufige Haushaltsführung
Eine vorläufige Haushaltsführung tritt in Kraft, wenn das Parlament bis zum Jahreswechsel keinen Haushalt verabschiedet hat, sodass der Staat weiterhin bestehende Verpflichtungen wie Gehälter, Pensionen und laufende Sozialleistungen erfüllen kann. Ein solches Vorgehen verhindert in Deutschland einen Verwaltungsstillstand wie in den USA, bei dem öffentliche Einrichtungen geschlossen und Angestellte zwangsbeurlaubt würden. Unter der vorläufigen Haushaltsführung dürfen jedoch keine neuen Projekte begonnen werden, wodurch insbesondere Förderungen und Sozialprojekte, die nicht bereits genehmigt sind, aufgeschoben werden müssen.
Geordnete Neuwahlen mit verantwortungsbewusster Terminplanung elementar wichtig für unsere Demokratie und die Menschen in unserem Land
Als Voraussetzungen für Neuwahlen gilt es für den Bundeskanzler, die Vertrauensfrage zu stellen. Anschließend kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen. Im nächsten Schritt müssen die Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen stattfinden. Gemäß dieser Regeln wird die Vertrauensfrage am 15. Januar 2025 eine Auflösung des Parlamentes spätestens am 05. Februar 2025 zur Folge haben. Um in der ganzen Republik ausreichend Zeit für die ordentliche Organisation und zwingende Vorbereitungen zu gewähren, sind die Neuwahlen dann im März naheliegend. Die Entscheidung über den Wahltermin liegt allein beim Bundespräsidenten, wobei Vorschläge der scheidenden Bundesregierung üblich sind. Eine Abweichung von diesem geordneten Verfahren wäre nur über das konstruktive Misstrauensvotum möglich. Dazu müsste die Opposition den Kanzler abwählen und einen neuen Kanzler wählen. Das rechnerisch mögliche Szenario wäre jedoch ein politischer Skandal - der Fall der so genannten Brandmauer: Gegen die Stimmen aus der verbleibenden Regierungskoalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen müsste sich der Oppositionsführer Friedrich Merz mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP, BSW und AFD wählen lassen.
Seriöse demokratische Prozesse brauchen Zeit. Da sind wir uns in meiner Bundestagsfraktion absolut einig. Die Forderung nach eiligen Neuwahlen hören sich einfach und stimmig an. Allerdings ignorieren sie erhebliche organisatorische und formelle Herausforderungen und Gefahren für unsere Demokratie im Innern sowie auch für unsere äußere Sicherheit. CDU/CSU, FDP und AfD fordern eine umgehende Vertrauensfrage und schnellstmögliche Neuwahlen bis Ende Januar. Jetzt um wenige Woche zu feilschen ist nicht nur politisch gefährlich, auch weil niemand weiß, wie lange die Bildung einer neuen Regierung dauern wird. Mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in Thüringen und Sachsen, vor allem abgebrochenen Koalitionsverhandlungen, wären chaotische Zustände nicht ausgeschlossen.
Ordentliche freie, offene, geheime und faire Wahlen zu gewährleisten ist elementar. Hier würden wir die Kommunen unnötig unter Druck setzen. In vielen Wahlkreisen sind noch gar nicht alle Kandidierenden gewählt. Schließlich müssen auch die Wähler:innen müssen die Chance haben, optional per Briefwahl zu entscheiden, wen sie wählen wollen. Sowohl die Bundeswahlleiterin, als auch die Vertreter in den Ländern und Kommunen appellieren hier an eine besonnene Terminplanung.
Ein transparenter, fairer und freier Wahlkampf ist das Herzstück der Demokratie. Er unterscheidet Autokratien und Diktaturen von Demokratien.
Es gibt keinen vernünftigen Grund, dieses so wichtige Ereignis übers Knie zu brechen. Die kurze Phase der Minderheitsregierung muss jetzt zur Stunde des Parlamentarismus werden - eine Frage des Pflichtbewusstseins.